Der Freytag: 52°32’30.9″N 13°30’04.8″E – Verhörfabrik in Berlin – in den Fängen der Stasi

Verhörfabrik in Berlin: Wegen Bücherschmuggels ins Stasi-Gefängnis. Selbst als Bürger der BRD war niemand vor der Stasi sicher – auch das war einst Teil Deutschlands, ein sehr realer. Jörg K. erlebte es am eigenen Leib. 1979, auf dem Weg zu einem Freund nach Jena, begann an der Grenze sein Alptraum. Sechs Monate Verhörterror durch die Stasi, völlige Isolation im Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen, endeten mit einer Verurteilung zu fünf Jahren Haft in der DDR.

Er wollte seinem Freund in Jena regimekritische Bücher schenken, wurde aber beim Schmuggelversuch an der Grenze erwischt. DDR-Grenzsoldaten durchsuchten sein Auto und fanden die Bücher in den Sitzpolstern. Sein Alptraum begann. Das Video »Vollkommene Isolation im Stasi-Gefängnis | Real Stories Deutschland« zeigt eindringlich, was die Insassen des Stasi-Gefängnisses Hohenschönhausen durchmachen mussten. Ab Minute 19:45 erzählt Jörg K. seine Geschichte. Wigald Boning führt uns bis dahin durch das Gefängnis und vermittelt einen kaum vorstellbaren Einblick in die Kälte und Unmenschlichkeit dieses Ortes. Absolut sehenswert. Geschichte darf nicht vergessen werden. Der Link zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=dJQ58XaMqBw.

Ich lese immer noch »Krokodil im Nacken« von Klaus Kordon. In der letzten Kolumne habe ich es vorgestellt. Der autobiografische Roman erzählt von Manfred Lenz, einem DDR-Bürger, der nach einem missglückten Fluchtversuch inhaftiert wird. Die inneren Kämpfe, die Überwachung durch den Staat und die Auswirkungen auf die Familie werden kraftvoll geschildert. Ein tief bewegendes Werk über Freiheit und Unterdrückung. Oft blieb der Wunsch nach Selbstbestimmung ein unerfüllter Traum. Kordon hatte Glück – viele andere nicht.

Das Thema DDR lässt mich nicht mehr los; ich lese, schaue und versuche zu verstehen – doch es bleiben viele Fragezeichen. Für alle Interessierten habe ich einen weiteren Filmtipp: »Verhaftet, verhört, vergangen, verdrängt – Zeitzeugen erinnern an die Stasi-Untersuchungshaft«. (Link zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=1v80GzFkTcs). Besonders spannend an diesem Beitrag ist, dass beide Seiten zu Wort kommen. Es gibt viele Opfer. Vielleicht auf beiden Seiten? Ich bin mir nicht sicher, wie ich die Gruppen nennen soll – ungern spreche ich von Tätern; es gibt sie zweifellos, aber ich denke, man muss differenzieren. Es bleibt nichts anderes übrig, als die Einzelfälle ganz genau anzuschauen. – Juristisch denke ich gerade dabei an den Fall von Günter Schabowski, der von Ferdinand von Schirach im sogenannten »Politbüro-Prozess« verteidigt wurde. In diesem Prozess wurde Schabowski für seine Mitverantwortung an der Erschießung von DDR-Flüchtlingen verurteilt.

Die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit bleibt schwierig. Die Wunden der Opfer sitzen tief. Wer überlebte, lebt mit inneren Narben. Angst zerstört Seelen; die erlebte Willkür hinterlässt tiefe Spuren. Angst war und ist ein Instrument der Herrschaft, das seit Jahrhunderten genutzt wird, um Gesellschaften zu lenken. Eine wachsame Gesellschaft muss ihre Sinne schärfen, um zu verhindern, dass sich solche Zeiten wiederholen. Wir haben sie erlebt, aber als Gesellschaft noch lange nicht vollständig aufgearbeitet.

Last but not least – noch ein Filmtipp. Bei meinen Recherchen bin ich auf das Video »Was wollten Sie in Berlin?! VR-Projekt Stasi-Gefängnis (9 Min.)« gestoßen. Im Kontext der Steuerung durch Angst ist es sehr lehrreich anzusehen. (Link zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=ZKP54B0yu3M).

Ich muss an Bert Brecht denken: »Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen« und an Hannah Arendt: »Will man die Menschen daran hindern, dass sie in Freiheit handeln, so muss man sie daran hindern, zu denken, zu wollen, herzustellen, weil offenbar all diese Tätigkeiten das Handeln und damit auch Freiheit in jedem, auch dem politischen Verstande, implizieren.«

Sapere aude!

S.

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Düster war die Welt.