Der Freytag: Irren ist menschlich

Eng war die Zusammenkunft und von kurzer Dauer; das Annähern an den Ausgangspunkt: wie Tiere auf engstem Raume; das Leben gedrückt, Stimmen verwischen zum Gegacker, reduziert auf die Belanglosigkeit des eigenen, unumstößlichen Rahmens von Akzeptanz und Ignoranz.
Neulich war ich Wandern – fernab vom Schreibtisch tickt die Welt ruhiger und viel erhabener; das viel zu enge Korsett der Wohnung abgelegt, unter freiem Himmel wirkt alles erhaben, losgelöst und eingebettet wird der Tag zum niemals endenden Augenblick. Gestärkt vom Leben und der Kost, die Wirtschaft ein bedrückender Schutzraum fürs Verweilen, um Kraft zu tanken – ein Minutenglück auf Raten. Der Schall der Menschen treibt voran, den Rest des Weges zu beschreiten. Ein Augenblick der Stille im Schutz von Beton und Glas gleicht einem Griff in den Himmel, um die Sterne zu betasten – ein unerfüllbares Momentum. Gestärkt und still; der alte Weg unter den Füßen; Barfuß über Stock und Stein ist kein Zeugnis einer Bodenhaftung, es ist ein individueller Ausdruck einer Illusion im imaginären Raum der Trugbilder und Sinnestäuschungen; eine Emotion im unwirklichen Ergebnisraum. Die Wege sind gezeichnet; Bezeichnungen, die Vorsicht implizieren, täuschen die Kürze und Schnelle des Erfolges in naher Zukunft illusorisch vor. Der Weg und die Zeit sind mehr als zwei physikalisch Einheiten in einer geteilten Welt, der die Einheit fremd wurde im Laufe der alten Teilungsgeschichte, die sich durch alle Schichten der Gesellschaft ziehen, ohne von der Majorität jemals klar erkannt worden zu sein. Am Fuße des Berges war die Einheit noch im Schein des Vorhandenseins gegeben; am Scheideweg trennten sich die Strebsamen vom Volke der Bedächtigen. Eine mögliche Einheit war alsdann vergessen, verblasst im Schimmer vom vermeidlichen Sieg über die Anderen; die Aussicht auf Erfolg trieb voran. Ließ die Besseren ernüchtern unter dem dornigen Wege der beschwerlichen Besteigung; aus den Augen verloren, nicht mehr bedacht. Am Fuße der Burg war der Sieg der Bedächtigen bereits gezeichnet, jedoch noch nicht im Glanze der Erkenntnis zur Gewissen geworden für alle Bedächtigen mit der Klarheit in Dienste der Beobachtung. Beschwerlich sind die letzten Stufen bis zum Erfolg; ein Warten in der Schlange lässt den Schweiß der Anstrengung durch die milde Gabe eines kühlen Lufthauchs angenehm verklingen. Im Blick zurück die Horde der barfüßigen Nachzügler; Erstaunen über deren Anschluss ans Ende der Schlange bringt Ernüchterung und Bestärkung für die instinktive Wahl des Weges; am Scheideweg den Weg der Demut gewählt, brachte am Ende den Sieg ohne Streben, unverhofft und ohne Erwartung – dennoch der erste im Ziel. Menschen können irren, die Natur – der Instinkt – irrt nie. »Es irrt der Mensch so lang er strebt.« Jeder kennt die Wiege dieses Zitats: Johann Wolfgang v. Goethe, Faust – Prolog im Himmel wird zum Epilog im Kontext des Freytags transformiert.

S.