Ein heißer Sommertag in Coburg. Die Sonne brennt auf den Kopfsteinpflaster, die Luft steht still. Meine alte Heimat, die Stadt, die in mir so viele Erinnerungen weckt. Ich gehe die Straßen entlang, als wäre nichts geschehen, als wären die Jahre nie vergangen. Wie oft stand ich auf dem Schlossplatz, den Blick fest auf das Theater gerichtet. Damals war die Zukunft weit, ein leeres Blatt Papier, das darauf wartete, beschrieben zu werden. Heute? Die Zeit hat Spuren hinterlassen, nicht nur auf den Straßen, sondern auch in mir. Die Zeit, die uns manchmal hilft, manchmal bremst. Manchmal ist sie ein Freund, manchmal ein unnachgiebiger Feind.
Zwischen dem Damals und dem Heute liegen Welten. Bonn, Meckenheim, Kronach – Städte, in denen ich gelebt, gearbeitet, geträumt habe. Jetzt ist es Bamberg, die Stadt, in der ich meine Zelte aufgeschlagen habe. Die Distanz zu Coburg ist geringer geworden, geografisch gesehen. Doch emotional scheint die Vergangenheit Lichtjahre entfernt. Coburg ist jetzt eine Erinnerung, verblasst und doch lebendig in meinen Gedanken. Eine Stadt, die einst so lebendig war, mit ihren Wirtshäusern, in denen der Rauch der Zigaretten noch in der Luft hing. Angangs erhielt ich das Bafög noch in D-Mark und die Informatik war noch schwer hardwarelastig. Doch sie faszinierte mich, zog mich in ihren Bann. Objektorientiertes Programmieren war neu und aufregend. Ich liebte es. Meine NeXT-Workstation, importiert aus den USA, war ein wahres Prachtstück. Kaum jemand kannte sie, sie machte mich zu einem Exoten in meiner kleinen Welt. Die Programmierung des DSPs auf der NeXT, zusammen mit dem kraftvollen RISC-Prozessor – das war meine Passion. Es gab kein Gefühl wie dieses, das Gefühl, etwas Besonderes zu tun. Damals waren Handys noch keine Smartphones. Sie waren einfach – wie die Zeiten. Die Klausuren jedoch waren ernst, sie hingen wie Damoklesschwerter über mir, und jeder Prüfungszeitraum war ein Kampf.
Im Hauptstudium vertiefte ich mich in Mathematik und Programmieren. Es waren meine Anker, meine Ruhepunkte inmitten der Herausforderungen. Die Eins aus meinem Mathe-Abi war mein Stolz, und sie fand sich schließlich auch in meinem Diplomzeugnis wieder. Diese Faszination für Logik hat mich nie losgelassen, und die Mathematik begleitet mich noch immer. Sie ist ein Rätsel, das ich immer wieder lösen will, ein Spiel, das nie endet. Doch mit Sprachen kämpfe ich noch immer, wie damals, als ich versuchte, die Nuancen der Grammatik zu begreifen. Doch auch dieser Kampf hat seinen eigenen Reiz. Coburg bleibt in meinem Kopf. Eine Stadt, die ich geliebt habe und die mich geprägt hat, auch wenn die Zeit uns voneinander entfernt hat.
Zeiten kehren nicht zurück. Was einmal war, bleibt in der Vergangenheit. Damals schien vieles leichter, unbeschwerter. Die Gesellschaft war gelassener, Europa jung, voller Energie und Visionen. Der Frieden hatte einen echten Wert, und ihn zu bewahren, schien noch möglich – ganz ohne Waffen. Mit 50 D-Mark kam ich locker durch das Wochenende, inklusive Bier und Zigaretten. Oft blieb sogar noch etwas übrig. Heute? 50 Euro sind schnell ausgegeben. Früher entsprachen das 100 D-Mark. Doch wer rechnet heute noch in D-Mark um?
So wie alles verrinnt, zerfließt auch die Zeit. Werte und Visionen? Dahin. Heute wird ohne Zögern von Waffenlieferungen gesprochen, als wäre der Krieg unvermeidlich. Die Gespräche klingen blutrünstig, als würde das Ende aller Tage herbeigeredet. Und wenn wir so weitermachen, wird dieser Tag wohl kommen. Die Politik? Ein Brandbeschleuniger, der den Weg ins Armageddon ebnet.
Doch was soll’s. Coburg ist so nah. Eine kurze Bahnfahrt trennt mich von meiner alten Heimat. Wenn die Bahn fährt, mache ich mich auf den Weg. Ich fahre nach Coburg und lasse die Gedanken zurückreisen, in eine Zeit, die längst vergangen ist.
S.
S.
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