Manchmal muss es einfach sein. Wenn das Leben wie ein Hamsterrad wirkt, bleibt nur eines: ausbrechen. Für mich bedeutet Schreiben genau das – der Sprung in eine andere Welt, ein anderer Sound. Wenn ich schreibe, bin ich ganz bei mir. Es ist, als würde ich einer inneren Kraft nachgeben, die nicht ignoriert werden will. Es nicht zu tun, wäre wie Türen zu verschließen, hinter denen das Leben tobt. Kein Wunder, dass Stimmung und Bestimmung für mich Hand in Hand gehen – beide trennen nur zwei Buchstaben: Be. Gute Stimmung habe ich, wenn ich meiner Bestimmung folge. Und gestern traf ich jemanden, bei dem ich das Gefühl hatte, dass es ihm ähnlich geht.
Dieser Ausbruch war ein Sahnehäubchen-Moment. Eine kleine Erfüllung. Gestern traf ich jemanden, der – unter anderem – dafür verantwortlich ist, dass ich schreibe. Dass ich Kolumnen schreibe. Harald Martenstein. Ihn muss man kaum vorstellen. Seine Kolumnen sind Kult: Seit 2002 schreibt er für «DIE ZEIT», und seit 2022 erscheint «Neben der Spur» in der «WELT am Sonntag». Im Rahmen des «Bamberger Literaturfestivals» hatte ich das Vergnügen, ihn live zu erleben – mit meiner Frau an meiner Seite. Seine Lesung war humorvoll, amüsant, kurzweilig und vor allem: inspirierend. Ich habe oft geschmunzelt, besonders bei der Anekdote, dass seine Frau ihm häufig die Themen für seine Kolumnen liefert. Das kenne ich gut. Auch Bettina hat oft die besten Einfälle, wenn ich selbst auf der Suche nach meiner Schreibspur bin.
Martenstein beschrieb den Prozess des Schreibens mit einer wunderschönen Metapher: Er nimmt sich einen ganzen Tag für seine Kolumnen. Dann sitzt er vor dem Bildschirm, überlegt – und stellt sich vor, wie wir früher um Lagerfeuer saßen und uns Geschichten erzählten. Genau dieses Bild, diese Energie, trägt ihn beim Schreiben. Und dabei gilt: Seine Stimmung fließt in den Text. Mal humorvoll, mal nachdenklich – je nachdem, wie er sich fühlt. Manchmal hört er dabei sogar Musik, die dem Text einen besonderen Sound verleiht.
Sein aktuelles Buch trägt den Titel: «Es wird Nacht, Señorita». Ein Songtitel von Udo Jürgens – Martenstein greift gern auf dessen Lieder zurück. Spätestens jetzt versteht ihr, warum ich diese Zeilen mit «Aber bitte mit Sahne» titelte. Während ich dies schreibe, läuft ein Chanson: «Kaffee und Kuchen – C’est la vie» in Dauerschleife. Ein Lied von mir, das ich letzte Woche komponiert habe, basierend auf eine meiner Lyriken. Es hat viel mit Kaffee – und vielleicht auch mit Sahne – zu tun. Hört gern mal rein: https://www.ganjingworld.com/s/O3m0lvNJxZ
Was ich von Harald Martenstein gelernt habe? Wir sollten viel öfter ausbrechen. Nicht Ja-Sagen, sondern Nachdenken. Nicht Konformist sein, sondern Rückgrat zeigen. Seine Texte sind Spiegel unserer Gegenwart: präzise Beobachtungen, oft mit einem humorvollen Unterton, der den Irrsinn unserer Zeit entlarvt. Gestern Abend wurde mir klar: So wie Kaffee Menschen verbindet, verbindet auch Literatur. Im vollbesetzten Saal lauschten Hunderte seinem Vortrag – ein Abend voller Witz, Charme und Geist.
Zum Abschluss habe ich mir eine Playlist erstellt: Songs von Udo Jürgens. Meine eigenen Kompositionen findet ihr hier: https://www.ganjingworld.com/s/4ZB7jmQ07O – hört rein. Und denkt daran: Ein Sahnehäubchen-Moment ist oft näher, als wir glauben. Manchmal genügt es, auszubrechen.
Sapere aude!
S.