Lyrik (Lied): Nennt es beim Namen

Ich war heut’ faul und blätterte nur
Im Zeit Magazin auf der Suche nach Spur.
Da stand was von Sondervermögen und Gas,
doch das Wort allein trieb mir den Spaß.

Sondervermögen – wie nett das doch klingt,
obwohl es uns längst in den Abgrund bringt.
Es ist nur ein Deckmantel, hübsch dekoriert,
damit niemand merkt, wie er manipuliert.

Nennt es beim Namen, seid nicht so stumm,
Es heißt nicht Vermögen – es heißt: Schulden, verdammt noch mal, warum?
Wer denkt, wer fühlt, wer Verantwortung kennt,
der nennt es beim Namen – konsequent.

Meine Schuld? Deine Schuld? Wessen ist’s bloß?
Die Kinder von morgen zahlen ganz groß.
Sie atmen zum ersten Mal – und schon
liegen sie tief in der Schuldendekoration.

Wo Schulden sind, da sind auch Gesichter,
Gläubiger, keine fernen Lichter.
Sie fordern zurück, was einst verschenkt,
mit Zins und Moral längst eingeschenkt.

Nennt es beim Namen, seid nicht so stumm,
Es heißt nicht Vermögen – es heißt: Schulden, verdammt noch mal, warum?
Wer denkt, wer fühlt, wer Verantwortung kennt,
der nennt es beim Namen – konsequent.

„Wer nichts weiß, muss alles glauben.“
sagte Marie, die kluge von Ebner-Eschenbach.
Und Kant? Der rief uns allen zu:
„Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen.“
Klingt gut, oder?

Wir finanzieren Kriege, wir bauen Wege in Peru,
während Schulen bröckeln – und zwar nicht im Nu.
Der Reichtum, den wir brauchen, wär’ Bildung im Kern,
doch lieber wirft man ihn aus dem Fenster – so fern.

Sprache formt Denken – das wusste schon Kant.
Wer „Sondervermögen“ sagt, ist geistig verbannt.
Denn wer das Wort beherrscht, beherrscht das System –
das ist leider mehr als ein Sprachproblem.

Nennt es beim Namen, streicht’s aus dem Sinn,
wer denkt, der weiß, dass’s kein Sondervermögen ist, sondern Schulden mit Zins.
Wer Freiheit will und Aufklärung lebt,
der sagt, was ist – auch wenn es bebt.

Wenn ihr es hört – im Radio, im TV –
sagt laut: Schulden. Nicht Sondervermögen.
Denn dann gilt:
Sapere aude.

S. Noir