Der Freytag: Einfach mal wieder ins Kino geh’n

Kinowelt

Hätte es zu Wagners Zeiten Kinos gegeben, es hätte seine Opern kolossal verändert. Kinos verändern den Blick auf die Welt; sie bieten Erlösung vom Alltag, es sind schöne Stunden der Flucht aus dem Grau-in-grau des Lebens; nach dem Kinobesuch erscheint die Welt wieder harmonischer. An diesem Montag sind wir im Kino gewesen. In unserer Stadt gibt es noch zwei kleine Kinos; früher hatten wir zusätzlich noch einen großen Kinokomplex; aber das Gebäude war baufällig, es ist mitsamt dem Filmpalast ausrangagiert worden. Die zwei kleinen Filmburgen haben überlebt – trotz der vielen Streaming-Dienste und Online-Angebote – und im Odeon Lichtspielhaus sind wir am Montagabend gewesen; es war ein Ausbruch aus dem Alltag, ein spontaner Miniurlaub im sonst so geregelten Wochenzyklus.

Erlösung ist Wagners grosses Opernthema gewesen – die Erlösung im Großen auf das Dasein bezogen. Er las viel und ließ sich auch gern selbst verzaubern; im Kino hatte ich auch eine Zauberstunde, einen schönen und kurzweiligen Aufenthalt; meine Erlösung im kleinen, diesmal nicht im großen Opernzyklus von Wagner, jetzt in einem Vintage-Kinosaal meiner Heimatstadt. Ich war entführt in die Welt von Rita Falk: Rehragout-Rendezvous – der neue Eberhofer. Ihre Art von Humor trifft bei mir genau ins Schwarze. Es schwingt tief die bayerische Seele in ihren Werken mit und einer meiner besten Freunde stammt aus Landshut; er ist ein waschechter Niederbayer – jede Zelle seines Körpers strahlt das Dasein eines Niederbayern aus – und jedes Mal, wenn ich einen Eberhofer-Krimi sehe, muss ich an ihn denken; die Sprache, der Humor – er könnte ohne Probleme bei einem Eberhofer-Krimi mitspielen. Wir haben beide eine gemeinsame Radtour während meiner Studentenzeit unternommen. Sie stand im Lichte einer Einkehr; es sollte eine Art Besinnungs-Tour werden, wie man es auch von Exerzitien kennt – zumindest war das der Plan. Als wir starteten; allein sein Anblick, als er im Hof bei mir stand: Lederhosen, bayerische Tracht und ein altes Damenrad mit nur drei Gängen… Das klingt nicht so dramatisch, wenn wir diese Radtour an der Nord- oder Ostsee unternommen hätten, jedoch sind wir im Mittelgebirge unterwegs gewesen und dementsprechend war mein Anblick: Mountainbike 18 Gang, Radhose, Sportklamotten. Unser Kontrast-Anblick war schon fast zum Kaputtlachen; unser beider bayerische Humor trug uns durch diesen Tag der Einkehr (im wahrsten Sinne des Wortes).

Die erste Rast legten wir – nach seinem Wunsch – im nächsten Dorf nach knapp 15 Minuten Radtour ein – beim Metzger. Wir – eigentlich er – holten Leberkäsbrötchen und kauften zusätzlich auch noch ein paar Halbe (ein paar Bier) – er kaufte sie – für uns; es folgte die erste Rast, nah beim Metzger und das erste Bier floss und der Leberkäs machte uns so träge, dass wir nur noch sehr langsam weiterfahren konnte und Lust zum Radfahren hatten wir beide auch keine mehr. Jedoch verflog die Unlust mit jedem weiteren Kilometer auf dem Rad, das Bier schlich sich aus unserem Geiste und wir radelten weiter bis zum nächsten Biergarten; er hatte Durscht! Ich trank natürlich mit und wir versackten im Biergarten. Irgendwann zog ein Hauch von Vernunft ein, wir gingen und radelten weiter – wieder mit sehr wenig Lust auf Bewegung. Das Spiel begann von Neuem. Das Bier verzog sich aus dem Kopf, das Radeln viel wieder leichter – bis zur nächsten Wirtschaft – die Niederbayern haben einen Durst, das war unglaublich. Es war ein Stop-and-go fahren: Einkehr, fahren, einkehren… Ab diesem Tag habe ich die niederbayerische Seele verstanden – sie ist der fränkischen sehr ähnlich – aber doch nicht ganz gleich. Zu dieser Zeit gab es noch keine Eberhofer-Krimis, aber die Seele der Niederbayern habe ich damals schon kennen und lieben gelernt.

Die Eberhofer-Filme sind ein Quell von Witz und Heiterkeit; diese ganz spezielle und sympathische niederbayerische Art von Entschleunigung hilft wie eine gute Medizin zum Herunterkommen, um nicht dem Wahn- und Irrsinn im Land, der langsam überhandnimmt, zu verfallen. Wagner: ein hitziger Sachse; was wäre aus ihm geworden, wenn er die Eberhofer-Filme gesehen hätte? Wir werden es nie erfahren; aber seinem Gemüt hätte es sicher gutgetan; so gut, wie es dem Meinigen am Montag erging. Ich glaube, wir werden jetzt wieder häufiger ins Kino gehen – Kino sollte es auf Rezept geben, es ist eine Medizin für die Seele. Demnächst kommt der Film: »Gernstls Reisen – Auf der Suche nach irgendwas (2023)« ins Kino. Er ist auch ein Bayer – ein Oberbayer aus Rosenheim; er ist auch so gelassen wie mein Spezi aus Niederbayern. Den Gernstl-Film schauen wir uns auch ganz sicher wieder im Kino an: Einfach mal wieder ins Kino geh’n.

Fortsetzung folgt …

S.

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