Ist am Ende jeder ein Rechtspopulist, wenn er nicht mehr ins Bild passt? Nur wer zeichnet zurzeit die Bilder? Und mit welchen Farben wird gemalt? Mehr und mehr Kampfbegriffe finden Verwendung im alltäglichen Miteinader. Einige Begriffe werden inflationär verwendet und verlieren somit ihre Wirkung; vieles kocht auf und über im gesellschaftlichen Gerangel: Aus dem Miteinander wird immer mehr ein Gegeneinander. Also auf den Punkt gebracht: Im gesellschaftlichen Gegeneinader ist Dampf auf dem Kessel. Es wird stigmatisiert, als gäbe es kein Morgen und auf einem der Stempel aus dem Waffenschrank der Kämpfer der Neuzeit, die gerne in ihren Giftschränken kramen, um im Neuland um sich zu stempel, wie die Berserker steht: Rechtspopulist.
Wie schaut’s eigentlich mit seinem Gegenparts-Stempel aus? Gefühlt sehe ich nur im gesellschaftlichen Gegeneinader den Schriftzug vom Stempel: Rechtspopulist; das Stigmata vom Abdruck des Linkspopulisten-Stempels sah ich im Neuland-Medienrauschen noch nicht. Aber unabhängig davon, wie oft man selbst – gefühlt – einen der beiden Begriffe wahrnimmt, stellt sich doch die Frage: Was bringt es uns, wenn wir uns gegenseitig stigmatisieren, abstempeln und uns immer weiter voneinander trennen? Mir ist es völlig egal, ob jemand rechts, links, mitte, oben oder unten ist; für mich zählt, ob sich jemand an Recht und Gesetz hält; seine Meinung, seine Weltanschauung stehe ich ihm absolut zu. Unterschiedliche Sichtweisen, verschiedene Standpunkte – kurzum der Pluralismus tut einer Gesellschaft gut, um nicht total zu verblöden. Aber – und jetzt kommt das große aber: Wir müssen andere Meinungen auch achten und ertragen können und den Diskurs nicht vermeiden, sondern wieder zu schätzen wissen. Auf Wikipedia steht unter Pluralismus: »Pluralismus, verstanden als empirischer Begriff der Politikwissenschaft, beschreibt den Umstand, dass in einer politischen Gemeinschaft eine Vielzahl freier Individuen und eine Vielfalt von gesellschaftlichen Kräften respektiert werden, die in einem Wettbewerb untereinander stehen. Die Vielfalt zeigt sich in konkurrierenden Verbänden und in Meinungen, Ideen, Werten und Weltanschauungen Einzelner.«
Schön wäre es, wenn das verbale Abrüsten anstatt das ständige Entrüsten an der Tagesordnung stünde, oder? Und wäre es nicht auch schön, wenn man einander wieder zuhören könnte und nicht die Flucht ergreift, bevor der andere sich erklären kann? Leider sehe ich, dass viele von Dingen sprechen, ohne darüber genauer nachzudenken, wie es das Gegenüber empfindet; sind wir schon so roh und abgestumpft, dass uns der andere egal ist? Meine Eltern lehrten mir: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinen and’ren zu. Es wäre eine schöne Vorstellung, wenn nicht nur in der Ukraine ein Abrüsten stattfände. Wenn sich die Menschen wieder ihres Menschseins besinnen und alle sich die Hand reichten. Vielleicht schaffen wir es ja wieder im Sinn vom großen Voltair zu leben: »Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.« – Und selbst wenn dieses Zitat nicht vom großen Voltair stammen sollte, so kann dieses Zitat wieder zu unser aller Maxime werden – zu unserer gesellschaftlichen Lebensregel – damit wir nicht wieder in die Zeit von 1933 – 1945 hineinrutschen, ohne es zu bemerken; die freie Meinungsäußerung, das Erdulden anderer Meinungen, der offene freie Diskurs sind der Humus für unseren gesellschaftlichen Boden, auf dem die Demokratie gut gedeihen und blühen kann.
Fortsetzung folgt …
S.
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