Der Freytag: Wagner in Wien – Wien, die Lohengrin-Premiere und gaaaanz viel Kaffeehaus

Nächste Woche bin ich in Wien. Gleich zu Beginn geht’s in die Staatsoper zur Lohengrin-Premiere; es Wagnert: »Dank, König, dir, daß du zu richten kamst!« (Lohengrin. Erster Aufzug). Den Lohengrin hätte ich im Corona-Jahr fast in Bayreuth erlebt, die Karten sind bereits mein Eigen gewesen; doch dann fiel er aus: Der Chinesen-Virus aus Wuhan nahm mir den Lohengrin – er raffte ihn dahin. »So frage ich weiter: Ist die Klage dir bekannt, die schwer hier wider dich erhoben?« (Lohengrin. Erster Aufzug.) Nein, ich will nicht klagen; denn nun ist der Schwanenritter völlig genesen und wieder auferstanden und auskuriert und wir begegnen uns in der Wiener Staatsoper.

So ziemlich alle Wagner-Opern sah ich in Bayreuth, nur eben den Lohengrin noch nicht. Aber, wer die beiden Häuser kennt, der wird mir sicher zustimmen, wenn ich behaupte: Wien ist ganz sicher ein adäquater Ersatz für den Grünen Hügel in Bayreuth. »Gott grüß’ euch, liebe Männer …« (Lohengrin. Erster Aufzug.) … in Wien! Und ich werde ihm sicher begegnen (vielleicht nicht gleich Gott, aber den musikalischen Geist von Wien) – vielleicht in einem der zahlreichen Kaffeehäuser?! Eine ganze Kolumne habe ich bereits mit dem Thema Wien verbunden (Der Freytag: In der Frittatensuppe brennt noch Licht – Begegnungen mit Thomas Bernhard und Lohengrin in Wien.); jetzt wird es Ernst. Am Wochenende entschwinde ich, fahre gen Süden in die Donau-Metropole.

Hier in der Heimat bin ich schon seit längerem nicht mehr in aller Ruhe im Kaffeehaus gesessen, um der Welt für Augenblicke zu entfliehen, um nachzudenken. Aber in Wien hohle ich all das Versäumte nach und denke an Thomas Bernhard, Stefan Zweig, Karl Kraus und Peter Altenberg, an die alten Kaffeehausschreiber. Auf Bernhards Spuren begebe ich mich nach der Wagneroper; das passende Urlaubsbuch ist auch schon im Reisegepäck verstaut (Alte Meister von Thomas Bernhard). »Wie andere in den Park oder in den Wald, lief ich immer ins Kaffeehaus, um mich abzulenken und zu beruhigen, mein ganzes Leben.« (Thomas Bernhard). Schöner kann man es nicht in Worte kleiden. Genau das macht ein gutes Kaffeehaus aus. Albert Camus schrieb über den Kaffee: »Nur Kaffee kann die Routine des Alltags erträglicher machen.« Niemand wird es kürzer und richtiger zusammenfassen können: Kaffee tröstet über all die vielen Dinge des alltäglichen Irrsinns hinweg.

In Wien, im Kaffeehaus verschollen. Wenn ich im Café Central in Gedanken versunken an Alfred Polgar (österreichischer Schriftsteller und einer der bekanntesten Autoren der Wiener Moderne) denke: »Das Wiener Café Central ist nämlich kein Kaffeehaus, wie andere Kaffeehäuser, sondern eine Weltanschauung, und zwar eine, deren erster Inhalt es ist, die Welt nicht anzuschauen.« (Alfred Polgar); so werd’ ich es ihm gleichtun und die Welt eben nicht anschauen. »Kaffee dehydriert den Körper nicht. Ich wäre sonst schon Staub.« (Franz Kafka). Im Sinn und im Geiste von Kafka, angstfrei wie Kafka, werd’ ich ein Tasse Kaffee, eine Wiener Melange, einen Franziskaner trinken und die Welt Welt und Deutschland Deutschland sein lassen. Ob ich im Kaffeehaus in Wien die Zeit finden werde, die Freitags-Kolumne zu schreiben, überlasse ich der Situation vor Ort; ganz sicher wird die Nächste auf jeden Fall am 10. Mai online erscheinen und ich vermute, das Thema wird dann erneut Wien sein. In könnt mir auch gerne auf X (Twitter), Instagram und/oder Threads – jeweils unter @stefan_noir – folgen.

S.

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