Der Freytag: T. Buhrow will Revolution bei ARD u. ZDF

Es revoltiert nicht nur hier, auch anderswo herrscht Aufruhr. Die Gesellschaften auf dem Globus sind in Bewegung: Brasilien, Pakistan, USA, UK, Italien, Griechenland, Iran, Deutschland, Belgien, Niederlande, Tschechien u. so weiter u. so fort. Jetzt geht es nicht den Lümmeln in der letzten Reihe, sondern den Strebern in der ersten Reihe an den Kragen – besser ausgedrückt: Weil auch sie jetzt aus den ersten Reihen entschwinden herrsch Zugzwang im ÖRR; die Chefs müssen dem starken Zuschauerschwund entgegenwirken, um den totalen Kollaps des ÖRR zu verhindern. “Bei ARD und ZDF sitzen Sie in der ersten Reihe” u. diese Reihen lichten sich dramatisch.

Wenn Hr. Buhrow Aussagen wie diese trifft: “Mein fester Eindruck ist: Deutschland scheint uns in zehn Jahren nicht mehr in dem Umfang zu wollen – und auch finanzieren zu wollen wie heute.” Zeigt dies, wie schlimm die Lage ist u. natürlich weiß er auch um die Wirkung seiner Worte. Im Klartext heißt das: Wenn wir nichts unternehmen, fliegt uns der Laden um die Ohren! Also Hr. Buhrow hat schon längst seine Revolution, nur sind diese Revolutionsführer die Zuschauer u. sie stammen nicht aus den eigenen Reihen. Und weiter appellierte er: “Wenn wir nicht verantwortungsvoll und ehrlich einen Neuanfang machen, wird es schlimmstenfalls keinen Neuanfang geben. Aber dafür ist der gemeinnützige Rundfunk einfach zu wichtig.” Auch hier schwingt die Angst vor dem Versinken in die Bedeutungslosigkeit mit u. aus meiner Sicht haben wir nicht fünf vor zwölf, sondern eigentlich ist der Zug schon lange abgefahren; das System ÖRR wird sich zwangsläufig auflösen. Auch gibt T. Buhrow zu, dass die Verstrickung zwischen Politik u. ÖRR zu stark ist, wenn er klagt: “Erstens: Wir müssen aus dem bisherigen System – Staatskanzleien hier, Sender dort – ausbrechen. Zweitens: Wir brauchen dafür einen runden Tisch, …” und im weiteren Verlauf der Rede sprach er auch davon, dass es an diesem besagten runden Tisch keine Tabus u. Denkverbote geben dürfe – es brauche einen Neuanfang. Also eine Veränderung, da sich die Politik zu stark in die Belange des ÖRR einmischte? Der Verdacht liegt nahe, wenn er Sätze wie diese äußert.

Vielleicht stimmen die schwindenden Zuschauerzahlen in den oberen Chefetagen jetzt dermaßen zur Sorge, sodass Buhrow die Reißleine ziehen muss. Nicht nur auf den Straßen in Europa geht das Gespenst des Misstrauens gegenüber den Regierungen um, auch in den ersten Reihen, auf den Sofas in den Wohnzimmern treibts die braven Zuschauer jetzt auf die Straße u. immer mehr beginnen zu hinterfragen. Also ist vielleicht diese Flucht – weg vom ÖRR – nur eine längst überfällige Bereinigung eines destruktiven Systems? Vielleicht erleben wir das Erwachen einer ganz neuen Art von Medienwelt – einer ehrlicheren mit Mut u. Offenheit zu freien Diskursen, wie es sich auch T. Buhrow an seinem runden Tisch wünscht? Ein Mehr an Eigenverantwortung werden wir wohl alle tragen müssen; ebenso sollten wir alle bereits jetzt beginnen, unsere eigene Medienkompetenz zu verbessern. Die Zeiten der unreflektierten Berieselung gehören – unabhängig davon, was sich aus der Buhrowschen-Revolution ergeben mag – auf jeden Fall der Vergangenheit an.

S.