Ich lese zurzeit «Der Zauberberg». Ob mich dieser Zauber tatsächlich verzaubert hat? Vor genau 100 Jahren erschien dieser Mammutroman von Thomas Mann, und das wird nun in vielen Feuilletons gefeiert. Während ich in diese zeitlose Geschichte eintauche, hat mich gleichzeitig eine – fast magisch wirkende – Weihnachtsstimmung erfasst, die ich mit Hingabe zelebriere: Ich trinke duftenden Weihnachtstee, nasche bereits von den ersten selbstgebackenen Plätzchen, habe Lichterketten in der Wohnung aufgehängt und neue, wunderschöne Weihnachtskerzen gekauft. Sie leuchten für mich in stillen Momenten, besonders dann, wenn ich am Schreibtisch sitze und die festliche Atmosphäre in mich aufnehme.
Inmitten dieser Stimmung denke ich an den Film «Merry Christmas» (Joyeux Noël, 2005) und an die Ereignisse des Weihnachtsfriedens während des Ersten Weltkriegs – eine der berührendsten Episoden der Geschichte. Am 24. und 25. Dezember 1914 legten die Soldaten verschiedener Nationen – Franzosen, Deutsche und Schotten – spontan die Waffen nieder. Gemeinsam sangen sie Weihnachtslieder, tauschten kleine Geschenke aus und spielten sogar ein Fußballmatch. Dieser Film basiert auf diesen historischen Ereignissen und erzählt sie aus unterschiedlichen Perspektiven. Er zeigt auf eindringliche Weise, wie selbst in den dunkelsten Zeiten der universelle Geist der Menschlichkeit erstrahlen kann. Hier der Trailer: https://youtu.be/aQHXNgJXcZg. Von den Szenen des Weihnachtsfriedens kann wohl niemand unberührt bleiben. Passend dazu empfehle ich den Artikel «Weihnachten zwischen Krieg und Frieden: Eine Erinnerung an das Wesentliche» von Bettina. Eine klare Lesempfehlung, die den Weihnachtsfrieden ebenfalls thematisiert und uns an das Wesentliche erinnert. Hier geht’s zum Artikel: https://www.bettinas-jungbrunnen.de/archive/5205.
Zur Weihnachtszeit gehört für mich unweigerlich auch Schnee. Im Zauberberg, insbesondere im Kapitel Schnee, wird die winterliche Landschaft in ihrer ganzen Schönheit und Kälte eingefangen. Diese Szenen verweben die äußere Stille des Winters mit der inneren Reflexion, die Hans Castorp durchlebt. Der Schnee wird zum Symbol für Besinnung, aber auch für die Vergänglichkeit des Lebens. Weihnachten, so scheint es, ist immer auch ein Abschluss – der Ausklang eines Jahres, bevor das nächste Kapitel aufgeschlagen wird.
Je älter ich werde, desto stärker spüre ich den ständigen Wandel des Lebens. Nichts hat Bestand. Doch Zerfall bedeutet immer auch Erneuerung. Wo etwas Altes vergeht, entsteht Raum für Neues. Besonders in der Adventszeit können wir dieses universelle Prinzip bewusst wahrnehmen. Trotz der Herausforderungen, die Veränderung mit sich bringt, ist der nahende 1. Advent eine Einladung, innezuhalten. Eine Gelegenheit, uns zu besinnen, Kraft zu schöpfen und Momente der Wärme im Kreis unserer Lieben zu genießen.
Rainer Maria Rilke schrieb 1922 in einem Brief an Ilse Blumenthal-Weiss: «Die echte Freude an Weihnachten liegt in der stillen Dankbarkeit.» Dieser Gedanke hallt in mir nach, während ich an meinem Schreibtisch sitze. Die Weihnachtskerze flackert leise, ein dampfender Weihnachtstee verströmt seinen würzigen Duft, und ich empfinde Dankbarkeit – für all die großen und kleinen Dinge im Leben, die oft selbstverständlich erscheinen.
Sapere aude!
S.