Ein philosophischer Spaziergang durch die Heimatnatur, begleitet von Gedanken über den Glauben und das Glauben im Allgemeinen.
Raureif, soweit das Auge reicht – Eine frostige, mystische und surreale Fototour zwischen den Jahren: Auf dem Jakobsweg hinauf zum Staffelberg, dem Berg der Franken, zeigte sich mir ein Anblick, wie man ihn nur selten erleben darf. Am Abgrund stehend, schien der Blick hinab wie auf ein gefrorenes Korallenriff. Eine Kulisse, die nicht nur das Auge, sondern auch den Geist berührt – immer wieder wird man hier mit Glauben und grundlegenden Fragen zum Leben und zum Dasein konfrontiert.
Wie sehr liebe ich diese Momente der Entspannung! Jedes Mal, wenn ich mit der Kamera in der Hand und in guter Gesellschaft unterwegs bin, spüre ich eine tiefe, innere Erfüllung. Meine beste Gesellschaft ist dabei meine Ehefrau – sie teilt nicht nur meine Leidenschaft für solche Ausflüge, sondern auch meinen Blick für Details. Sie fotografiert ebenfalls, und wir ergänzen uns wunderbar. Viele gute Motivideen habe ich mir von ihr abgeschaut – ihr Gespür für Perspektiven inspiriert mich immer wieder aufs Neue.
Die Welt und die Natur in all ihren Facetten auf mich wirken zu lassen, während meine Gedanken frei und scheinbar ziellos schweifen, ist für mich essenziell. Es ist, als würde ich mein Innerstes spazieren führen – es frei durch die Natur streifen lassen, wo es sich an den einfachen, wesentlichen Dingen erfreuen kann. Für mich war und ist die Natur – besonders der Wald – stets ein Ort des Wesentlichen und ein Anker, der mich immer wieder zurückbringt zu mir selbst.
Der Glaube an etwas Höheres ist letztlich auch ein Glaube an sich selbst. Er bietet einen Rahmen, der Halt gibt und eine moralische Basis für das Dasein schaffen kann. Glaube ist essenziell, um schwere Stunden im Leben besser bewältigen zu können. Doch immer mehr Menschen verlieren ihren Glauben – oder fühlen sich nicht mehr in der Lage, zu glauben.
Wir erleben im Leben viele Momente der Einkehr, der Ruhe und des Besinnens. Für viele sind wir durch unser bewusstes Handeln selbst verantwortlich, für andere jedoch ist etwas anderes maßgeblich. Der Ungläubige nennt es Zufall, der Gläubige in den westlichen Glaubenswelten spricht von Gottes Wille, und im östlichen, asiatischen Raum wird häufig vom Schicksal gesprochen.
In meinen frühen Jahren erzählten mir viele Ältere vom Buch des Lebens, in dem alles verzeichnet sein soll. Auch hier schwingt der Glaube an das Schicksal mit. Doch wer lenkt uns wirklich? Sind wir es selbst? Haben wir uneingeschränkt die Kontrolle über alles? Falls nicht – wer oder was bestimmt dann den Verlauf? Ist es der Zufall? Gibt es im Universum überhaupt Zufall? Wenn alles, was uns umgibt, von Physik, von Ursache und Wirkung und von Gesetzmäßigkeiten geprägt ist, wie könnte dann Zufall existieren?
Ein Platz – eine Bank mit Tisch – lädt zum Verweilen ein. Zum Brotzeitmachen. Zum Nachdenken.
Und immer wieder werden wir im Leben mit dem Glauben konfrontiert. Wir können vieles ignorieren, im Alltag versinken und uns von ihm durch zahllose Ablenkungen «erholen» lassen.
Im Leben gibt es viele Wege, viele Möglichkeiten. Und doch kennen wir immer nur den einen Weg, auf dem wir uns gerade befinden. Viele denken oft über die anderen, imaginären Wege nach und wünschen sich, sie hätten eine andere Abzweigung genommen. Aber vielleicht ist der Weg, den wir gehen, bereits der bestmögliche Pfad? Vielleicht verändert sich unsere Sicht auf den Weg, wenn wir unsere Einstellung ändern – wenn wir dankbar sind für das, was wir haben, anstatt undankbar auf das zu blicken, was wir nicht haben und vielleicht niemals bekommen werden.
Manchmal sind die Wege steinig, manchmal nicht. Diesmal ist der Weg jedoch besonders glatt geworden: Viele Wanderer, die unsere Wege kreuzen, sind ins Schlittern geraten – sie haben sich sprichwörtlich aufs Glatteis begeben. Doch vielleicht muss man im Leben manchmal etwas wagen, ins kalte Wasser springen und akzeptieren, dass wir häufiger auf Glatteis unterwegs sind, als uns bewusst ist.
Und auch das Scheitern gehört zum Leben. Wenn wir auf dem Weg fallen, zählt nicht, dass wir gefallen sind – es kommt darauf an, dass wir uns wieder aufrichten, weitergehen und es beim nächsten Mal besser machen.
Ich glaube, wir alle haben einen Schutzengel. Wir sehen ihn nicht, kennen seinen Namen nicht, aber vielleicht fängt er uns auf, wenn wir auf dem Glatteis des Lebens ins Straucheln geraten. Nur ein Gedanke – ein Gedanke über den Glauben. Vielleicht bewahrt uns dieser Engel auch vor einer falschen Abzweigung, damit wir auf unserem richtigen Weg bleiben.
Die Nahsicht fällt uns leicht, doch mit der Fernsicht ist es ungleich schwerer: Der Horizont liegt oft im Nebel, und manchmal scheint er nur wenige Zentimeter vor unseren Augen zu enden.
Momente der Einkehr: Sitzbänke auf dem Pfad des Lebens gibt es viele, doch es sind immer wieder die menschlichen Begegnungen, die uns zum Verweilen einladen. Manchmal dauern sie nur wenige Augenblicke, manchmal Minuten. Gelegentlich geht man ein Stück des Weges gemeinsam, und nur selten teilt man den gesamten Weg – von der ersten Begegnung bis zum Ziel und vielleicht sogar darüber hinaus.
Es wird immer weißer um uns herum. Die Bäume verschwinden hinter einer zunehmend dickeren Raureif-Schicht. Das Weiß übernimmt die visuelle Vorherrschaft – ähnlich wie die Weisheit im Leben, die mit der Zeit ebenso wachsen und an Stärke gewinnen kann wie das schimmernde Weiß auf den Bäumen.
Und immer wieder gibt es die Möglichkeit zur Besinnung, zur inneren Ruhe. Ob wir diese Einladungen annehmen oder nicht, bleibt ganz uns überlassen – denn wie so oft ist der freie Wille strikt.
Menschliche Begegnungen: Mit manchen kommen wir ins Gespräch, viele tauchen nur kurz und wortlos am Horizont auf, und danach begegnet man sich nie wieder. Von den meisten wissen wir nicht einmal, dass sie existieren. Das lässt uns darüber nachdenken, wie wichtig es ist, die Menschen, mit denen wir tatsächlich in Kontakt stehen, mehr zu schätzen.
Und immer wieder begegnet uns der Glaube. Er hat viele Facetten und muss nicht immer mit dem Glauben an eine höhere Macht verbunden sein. Doch sehr oft ist der Glaube an uns selbst eng mit ihm verwoben.
Immer wieder das Bühnenbild: Hier die Natur im Raureif und dort die menschlichen Begegnungen im Theater des Lebens.
Und dann ist da noch der Glaube.
Und das Bühnenbild.
Und wieder der Glaube; auch manchmal im Bühnenbild vermengt.
Und wir selbst werden aus dem Bild auf die Bühne gezogen, untrennbar verwoben mit dem Ganzen. Oft ohne es zu wollen, stehen wir plötzlich im Rampenlicht auf der Bühne.
Die Perspektiven wechseln oft – manchmal, ohne dass wir es bemerken oder wollen. Ist es das Schicksal, das hier seine Hand im Spiel hat, oder doch nur der Zufall?
Und erneut zeigt sich ein Weg. Doch welchen wir wählen, liegt in unserer Hand – oder ist es doch das Schicksal, das entscheidet?
Wie oft standen wir bereits am Abgrund, ohne die Gefahr eines Absturzes überhaupt zu erkennen? Hat uns ein Schutzengel bewahrt – oder war es doch nur der Zufall, der uns unversehrt gelassen hat?
Und immer wieder diese Momente des Besinnens – Bänke im Leben – Einladungen des Himmels, innezuhalten, nachzudenken, zu verschnaufen. Wie oft haben wir die Gelegenheit zur Korrektur ungenutzt verstreichen lassen?
Am Ende des Weges, des Rundwanderweges auf den Höhen des Staffelbergs, zeigt sich wie im Leben ein neuer Anfang. Dort steht wieder der Glaube – oder der Zufall. Der Glaube an etwas Höheres gleicht oft dem Glauben an den Zufall, denn beide gründen auf dem Prinzip des Glaubens.
Sapere aude!
S.