Der Freytag: Würde Richard Wagner podcasten?

Wagner-Cast

Ja, aber er würde wahrscheinlich nur seine eigenen Podcasts machen und auch hören, da er sehr von sich selbst eingenommen war – gut, das musste er auch sein, als Genie darf man keine anderen „Götter“ neben sich thronen lassen.

Richard Wagner, dieser musikalische Revolutionär des 19. Jahrhunderts, wäre im digitalen Zeitalter zweifellos ein Medienphänomen gewesen. Mit seinem unstillbaren Drang zur Selbstdarstellung und seinem Bedürfnis, seine künstlerischen Visionen zu erklären, hätte er das Format Podcast wie geschaffen für sich entdeckt. Allerdings wäre sein Podcasting-Schaffen von den Launen seiner Gesundheit abhängig gewesen.

Wagner litt zeitlebens unter verschiedenen gesundheitlichen Beschwerden, insbesondere unter Herzproblemen. Er selbst kategorisierte seine Tage in „Regentage“ und „Sonnentage“ – je nachdem, wie es ihm körperlich ging. An seinen Regentagen hätte er vermutlich keine Mikrofone ertragen, doch an Sonnentagen wäre er kaum zu bremsen gewesen.

Ein treuer Begleiter an seiner Seite wäre mit Sicherheit sein geliebter Hund Russ gewesen – vielleicht sogar als stiller Co-Host, der gelegentlich im Hintergrund zu hören gewesen wäre. Wagner hatte eine besondere Beziehung zu diesem Neufundländer, der ihn während seiner Zeit im Schweizer Exil begleitete. Als Wagner 1861 nach Paris zurückkehrte, musste er Russ zurücklassen. Die Trennung fiel ihm schwer, und es wird berichtet, dass er in Paris einmal glaubte, Russ in der Ferne zu sehen – eine Halluzination, die seine tiefe Verbundenheit zu dem Tier zeigt. Tragischerweise starb Russ später, nachdem er bei einem Spaziergang mit Wagners Frau Minna einen Wagen gesehen hatte, den er für Wagners hielt, und diesem hinterherrannte, wobei er sich überanstrengte.

Besonders produktiv für seinen hypothetischen Podcast wäre wohl Wagners Zeit in der Schweiz gewesen, vor allem in Tribschen am Vierwaldstättersee bei Luzern. Dort erlebte er viele seiner „Sonnentage“ und komponierte große Teile seines „Ring des Nibelungen“. Es war auch in Tribschen, wo König Ludwig II. von Bayern ihn besuchte – jener Monarch, der Wagner finanziell großzügig unterstützte und ihm letztlich die Vollendung seiner künstlerischen Vision ermöglichte. Interessanterweise wird überliefert, dass der König bei seinem Besuch tatsächlich auf dem Boden schlief, obwohl ihm ein Bett angeboten wurde. Ludwig wollte damit angeblich seine Demut vor dem Genie Wagner zum Ausdruck bringen – eine Geste, die Wagner sicherlich geschmeichelt haben dürfte.

Als potentieller Podcast-Gast wäre sicherlich Friedrich Nietzsche ein Kandidat gewesen. Die Beziehung zwischen Wagner und dem Philosophen war komplex und durchlief verschiedene Phasen. Zunächst war Nietzsche ein glühender Verehrer Wagners und seiner Musik. Er sah in Wagner den Künstler, der die deutsche Kultur erneuern konnte. Wagner seinerseits schätzte Nietzsches Intellekt, wenn auch mit einer gewissen Herablassung. Hinter Nietzsches Rücken äußerte er sich nicht immer wohlwollend über den jungen Philosophen und bezeichnete ihn gelegentlich als „seltsam“ oder „verschroben“.

Ihre Gespräche drehten sich um Musik, Philosophie, die altgriechische Tragödie und die deutsche Kultur – Themen, die einen Wagner-Nietzsche-Podcast zu einem intellektuellen Feuerwerk hätten werden lassen. Jedoch brach Nietzsche später mit Wagner, nicht zuletzt wegen seiner Hinwendung zum Christentum in seinem letzten Werk „Parsifal“. Ein Podcast zwischen den beiden wäre wohl früher oder später in einem spektakulären Streitgespräch geendet.

Andere mögliche Podcast-Gäste für Wagner wären seine Förderer und Bewunderer gewesen: Liszt, dessen Tochter Cosima Wagner heiratete; Mathilde Wesendonck, zu der er eine komplizierte romantische Beziehung pflegte; oder die Sänger und Musiker, die seine Werke aufführten – wobei er diese vermutlich hauptsächlich eingeladen hätte, um ihnen zu erklären, wie sie seine Musik „richtig“ zu interpretieren hätten.

Wagner wäre Podcaster, würde Worte weben und Wellen wirken. Diese Alliteration, ein Stabreim ganz im Wagnerschen Sinne, fasst zusammen, was wir uns von einem Wagner-Podcast hätten erwarten können: Ein Feuerwerk aus Worten, Ideen und Selbstdarstellung. Ein Wagner-Podcast wäre sicherlich nicht ohne Kontroversen geblieben.

Apropos Podcasts: Ich selbst habe zwischen 2016 und 2018 den Podcast mit dem Namen „Stenorcast“ veröffentlicht. Das sind jetzt fast 10 Jahre zwischen der ersten Folge von damals und der Gegenwart. Die erste Folge ging am 28.10.2016 online, diese Folge ist so schlecht gewesen, obwohl wir – Simon (mein Podcastpartner) und ich 57 Minuten gequatscht hatten. Aber die zweite Folge könnt ihr hier im Anhang nachhören, ich stelle sie aus nostalgischen Gründen mit online. Ganze 46 Minuten hielten wir durch. Simon gibt es heute auch noch in meinem Arbeitsumfeld. Und wir sind am Überlegen, ob wir ab und an nochmal eine Folge neu aufnehmen sollten. Allerdings dann unter dem neuen Namen: Stenor Media Podcast. Das Logo habe ich vorsorglich schon einmal entworfen – in Anlehnung an das alte vom Stenorcast.

Neues Podcastlogo

 

Link zu Podcast: Stenorcast vom November 2016: https://www.ganjingworld.com/de-DE/video/1hjgc837r0h3O8g8HBZoeXJSS1231c

Die alte Stenorcast-Folge aus dem Jahr 2016 wurde für diese Kolumne neu auf GJW hochgeladen.

Ein alter Podcast aus dem Jahr 2016. Das hier ist die zweite Folge, die zweite Aufnahme – und sie liegt im Jahr 2025 nun fast zehn Jahre zurück. Vieles hat sich seitdem verändert: die Welt hat sich verändert, wir haben uns verändert. Vielleicht podcasten wir hin und wieder mal wieder. Noch ist alles offen. Und es fällt mir nach wie vor schwer, meine eigene Stimme zu hören.

Sapere aude!

S. Noir