Erst mal Kaffee! – Es erzählt sich auch leichter mit Kaffee.
Neulich, die Decke kam immer tiefer – das Denken am Schreibtisch wurde schwerer und schwerer – so unterbrach ich meine Arbeit.
Da ich sowieso ein paar Kleinigkeiten vom Lieblingsbäcker holen musste, verband ich das Angenehme mit dem Nützlichen und ging etwas spazieren.
Die Luft war an diesem Oktobervormittag bereits mit einer leichten Kühle garniert, aber es lag auch ein Hauch von Frühling in der Luft. Eine dünne Jacke und Pullover reichten völlig aus, und wenn sich der Herbst nicht bald seiner Aufgaben besinnt, können die Handschuhe, die Daunenjacke und die Winterschuhe noch sehr lange auf dem Dachboden verweilen.
Beim Nachdenken über die vergangenen Herbste trafen mich ein paar Sonnenstrahlen im Gesicht, die sich durch die Wolken ihren Weg zu mir erkämpften und erwärmten mein Gemüt.
Ich sah mir die Bäume an und zählte die Laubblätter, auf die der Herbst bereits seine Signatur hinterließ. Lange musste ich nicht zählen, die Anzahl war überschaubar. Irgendwie scheint in diesem Jahr der Herbst noch nicht richtig zu wissen, wann er sein Werk in der Natur verrichten will – fortführen wird, denn angefangen hat er vereinzelt bereits, aber irgendetwas muss ihn dann wohl doch unterbrochen haben.
Ob es schon mal ein Jahr gab mit dem nahtlosen Übergang zwischen Spätsommer und Winter? Vielleicht mit einem Schnellherbst für zwei Wochen? Vielleicht kommt es ja auch nur mir so vor; wir vergessen ja sowieso immer sehr schnell, denn wenn mich jetzt jemand fragen würden, wie der letzte Herbst war, könnte ich nicht viel zu sagen, außer, dass er wohl stattgefunden haben muss.
Mein Blick zog umher und ich zählte wieder die herbstlichen Blätter, die auf dem Bürgersteig lagen. Auch diese waren in ihrer Anzahl sehr überschaubar, man musste sie fast schon wie ein Spürhund suchen gehen.
Bei dieser Abzähl- und Suchaktion fiel mir plötzlich mein Opa ein; sehr viele Erinnerungen habe ich nicht mehr an ihn, da er relativ früh verstarb; aber ein paar gute Erinnerungen habe ich doch über die Zeit retten können. Als er immer sonntags zu uns kam und wir nach dem Mittagessen alle gemeinsam lange Spaziergänge unternahmen, trug er immer einen feinen Anzug, ein Hemd, eine Krawatte und auch immer einen Hut – oft hatte er auch noch einen Schirm mit dabei und er wirkte sehr elegant, sprach und bewegte sich auch so.
Für meinen Opa gingen wir auch nicht auf dem Bürgersteig, mein Opa sprach immer vom Trottoir. Jedes Mal, wenn er dieses Wort aussprach, kam ich mir – als kleiner Knirps neben ihm – groß und ganz wichtig vor. In diesen Augenblicken schritten wir beide erhaben wie König Ludwig XIV. auf dem Trottoir.
Ob der Sonnenkönig wohl wirklich auch selbst spazieren ging und sich nicht hat in einer Sänfte herumtragen lassen, wollen wir mal an dieser Stelle offenlassen; aber an diesen Sonntagen war ich nach dem Mittagessen neben meinem Opa ganz stolz und wusste, wenn ich später mal groß bin, dann schreite ich auch auf dem Trottoir und trample nicht auf dem Bürgersteig.
Was auf dem Rückweg vom Bäcker geschah, berichte ich im nächsten Teil von: Der Spaziergänger. Es wird dann etwas weniger vornehm, geht aber auch um Wörter – also um Sprache.