Buch des Tages: Thomas Mann – Die Erzählungen

Buch des Tages, eigentlich «Mann» lebenslang. Aktuell lese ich zwar unter anderem «Den Zauberberg», doch für zwischendurch sind die Erzählungen von Thomas Mann immer eine gute Wahl.

«Der kleine Herr Friedemann» ist sicherlich vielen bekannt – falls nicht, unbedingt lesen! Diese Erzählung gehört ebenso zu diesem Band wie «Tristan», in dem der Wagnerianer Mann unverkennbar mitschwingt. Auch «Vision» ist vertreten, und apropos Vision(en): Beim Klang dieses Wortes muss ich unweigerlich an Helmut Schmidt denken: «Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen!» Da lande ich ungewollt bei der Politik, die ich eigentlich meiden wollte – oder sollte?!

Das, was sich auf dem gesellschaftspolitischen Parkett derzeit abspielt, lässt sich höflich wohl nur als Irrsinn bezeichnen. Die Performance ist grauenhaft. Eigentlich müsste «Mann» nur noch «Buh» rufen, um diese «Leistungen» zu quittieren, wie es auch in vielen Wagner-Inszenierungen üblich ist. In Bayreuth hört man manchmal auch ein «Brava!» – doch im politischen Kontext brächte ich das derzeit nicht über die Lippen. Nebenbei bemerkt: Ich finde es ohnehin affig, wenn in Bayreuth Besucher «Brava!» rufen. Aber gut, jeder wie er mag. Es gibt vieles, was ich ohnehin nicht mehr verstehe – auch der gute Ton scheint ein anderer zu sein, als ich es gewohnt bin. Beispiel gefällig? Mit angezogenen Handschuhen gibt man niemandem die Hand. Doch diese Etikette scheint heute völlig unbekannt zu sein. Aber lassen wir das.

«Der Tod» ist ebenfalls im Erzählband vertreten – er treibt allerdings nicht nur zwischen den Buchdeckeln von Manns Geschichten sein Unwesen. Auch im Mittelstand zieht er seine Kreise, und selbst bei VW oder Audi sind die besten Zeiten jetzt wohl erstmal vorerst vorbei – Dank glorreicher Entscheidungen. Aber auch das lassen wir lieber.

Meine neue Biedermeierzeit ist keine Flucht ins Häusliche, sondern eine Flucht in die Literatur. Mein Bücherschrank ist gefüllt mit Weltliteratur, und ich werde diese Zeiten mit Lesestoff überbrücken – bis wieder Vernunft und Normalität einkehren.

S.