Der Freytag: »Edel sei der Mensch«

Es ist Freitag; ich sitze im Kaffeehaus; diesmal in Rudolstadt; und ich bin auf den Spuren von Schiller und Goethe unterwegs. Ich trinke gerade keinen Kaffee; sondern eine heiße Schokolade; wie sie Goethe selbst gern’ trank. -Er war so versessen auf Schokolade, dass er sich sogar während seiner Italienreise das braune Gold aus der Heimat nachschicken ließ. Ich sitze in einem sehr schönen – aus der Zeit gefallenen – Ostkaffee mit der typischen Kuchenauslage, wie man sie nur noch hier im Osten findet; Die Kuchenauswahl und die Größe der Bleche sind überwältigend: fluffige Eierschecke, saftiger Kirschstreusel, knuspriger Streuselkuchen mit Pudding, goldgelben Streuselkuchen mit Apfel und Zimt, saftigen Zupfkuchen, cremigsüßen Bienenstich, kunterbunten zitronigen Papageienkuchen, cremigen Mohnkuchen… Seit der Grenzöffnung bin ich viele Male im Osten – den es eigentlich nicht mehr gibt – gewesen und habe die Menschen – und besonders Thüringen – kennen und lieben gelernt; meine Frau ist auch eine von ihnen (eine waschechte Weimarerin) – ich liebe den Osten! Sollte ich einmal eine Hymne schreiben, so würde ich das Thema Thüringen/Weimar wählen. – Wir, meine Frau und ich, sind uns das erste Mal in Greiz begegnet; dies ist jedoch eine andere Geschichte – vielleicht eine andere Kolumne.

In Rudolstadt begegneten sich Goethe und Schiller zum ersten Mal; hier begann die Freundschaft der beiden großen Dichterfürsten. Stück für Stück kamen sie sich näher: es begann die Weimarer Klassik. »Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.«, so der Leitspruch dieser Weimarer Epoche. Die Menschen sollten zu Vernunft und moralischem Handeln erzogen werden. Ebenso sollte die Vernunft das Handeln in der Politik anleiten – ein schöner, zeitloser, Gedanke. Schiller entwickelte aus diesen Gedanken den Begriff von einer »moralischen Schönheit«. In seiner Schrift: »Über Anmut und Würde« von 1793 entwarf Schiller diesen Begriff. Das Gute, das Wahre, das Schöne sind die gemeinsamen Ideale der beiden Dichter – Dichtung soll Vollendung und Schönheit sein. Menschlichkeit und Toleranz sind die Ziele, Harmonie und Humanität die Leitideen. – Die geistige Verbindung zwischen Goethe und Schiller wirkt noch bis heute in unsere Zeit nach. Schiller in einem Brief: »… eine unerwartete Übereinstimmung, die umso interessanter war, weil sie wirklich aus der größten Verschiedenheit der Gesichtspunkte hervorging. Ein jeder konnte dem anderen etwas geben, was ihm fehlte, und etwas dafür empfangen …«, so Schiller an Körner vom 1.9.1794 verdeutlicht die Verbindung zwischen Goethe und Schiller anschaulich.

»Edel sei der Mensch …«. Ich denke über die Zugfahrt von heute Morgen nach. Ich saß im Zug und schrieb gerade meine Gedanken in mein Notizbuch. Plötzlich riss mich der lautstarke Ruf einer jungen »Dame« unsanft aus meiner Gedankenwelt; sie schrie zu ihrer Freundin quer durch das Zugabteil: »Hast du noch eine Dose Bier für mich?« Die junge »Dame« muss circa 13 Jahre alt gewesen sein und ab diesem Augenblick hatte sie meine – und die vom gesamten Zugabteil – Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Meine Interesse an dem, was sie zu sagen hatte, entschwand nach ihrem ersten Folgesatz so plötzlich, wie sie entstanden war; ich tauchte wieder in meine Gedankenwelt ein und schrieb weiter. – Schön ist es, mit dem Zug zu fahren. Wie viele Kolumnen mögen auf dem Gleisbett der Bahn entsprungen sein? »Edel sei der Mensch …«.

 

Im Zug: »Edel sei der Mensch«

 

Fortsetzung folgt …

S.

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