15-Dezimeter – (k)ein Kommentar

Soziale Medien – die „alten“ sozialen Medien

Zum Passus sozial (Wikipedia): „Das Adjektiv sozial, von französisch social und lateinisch socialis, wird oft als Synonym zu ‚gesellschaftlich‘ verwendet und im erweiterten Sinn zu ‚gemeinnützig, hilfsbereit, barmherzig‘“. – So weit, so gut.

Derzeit greifen „schadow banning“, Fakten-Checker usw. usf. wie Rumpelstilzchen um sich als gäbe es kein Morgen. Von der originären Begriffsdefinition sozial bleibt in der Realität im Netz der sozialen Medien wenig übrig. Gemeinnützig, hilfsbereit, barmherzig beißen sich halt dann doch in Zeiten von „Cancel-Culture“ mit den Handlungen in der Realität; interessant sind auch die Blüten, die dieses Vorleben von diesen „neuen Werten“ hervorbringt. Denn Hilfstruppen wurden bereits von der Jugend mobilisiert – ich nenne jetzt nicht den Namen der Partei, von der diese Jugend abstammt –, um dann gemeinsam loszuschlagen, damit das Netz schön „sauber“ und „frei“ bleibt – frei von Dialektik. Sicher werden noch mehr folgen, denn die Ritter für Gerechtigkeit und Hygiene im „freien“ Diskurs werden sich schnell finden – in Echtzeit. Selbstreflexion, kritisches Denken sind in Zeiten von Pisa utopisch – vielleicht sogar nicht gewünscht – und wer dennoch darauf hofft, wird schnell erkennen, dass spätestens seit FFF die Emotion über die Vernunft die Prämisse ist.

Die Tendenz zum alten Blockwart-Tum ist nach wie vor vorhanden und es eitert immer deutlicher an die Oberfläche. Die Krise macht vieles möglich, es ist, wie im Krieg nur die Waffen sind andere. Und „Wir“ kämpfen ja für das Gute, die Anderen sind böse – lasst uns losschlagen. – Der klassische Klassenkampf angepasst an die Zeit: Erich würd’s freuen. Jede Ungerechtigkeit wird mit einer ideologischen Phrase begründet und in eine Gerechtigkeit verklärt und die Stimmen für den freien Diskurs, der freien Rede werden nieder geknüppelt – und bist du nicht willig, so musst du dann doch – meiner, der Richtigen natürlich, Meinung sein.

Auch die sog. “Fakten Checker” tragen überhaupt nicht zum freien Diskurs bei – die Unabhängigkeit, die bei diesen Schein-Organisationen vorgegaukelt wird, sind Nebelkerzen par excellence. Es stecken doch oft, bei akribischer Prüfung, private Organisationen mit sehr „interessanten“ Finanziers dahinter. – Mir fällt in diesem Kontext immer wieder der alte Witz ein: „Rauchen gefährdet nicht ihre Gesundheit! Gezeichnet: Dr. Marlboro“.

Freilich, der brave, ordentliche Bürger, dessen Bürgerpflicht im Sinne vom Roman von Heinrich Mann – jeder kennt ihn – Der Untertan – bis zur absoluten Selbstaufgabe reicht, sieht das alles nicht. Da er selbst nichts von all diesen „schönen neuen“ Mechanismen mitbekommt – es läuft ja, wie es der Name schon vermuten lässt, im Dunklen, im Stillen und Verborgenen ab – im Schatten: „shadow banning“. Für ihn ist seine heile Welt noch in Ordnung – für ihn und noch. Nur Analogien aus der jüngsten Vergangenheit bewiesen, dass die Rahmen nie weiter, sondern stets enger gezogen wurden, so dass irgendwann jeder betroffen war – auch oder ganz besonders „Der Untertan. Nur dann war es auch oft (leider) so, dass dieser Prozess bereits zu weit fortgeschritten und Veränderungen zurück in die Normalität mit sehr dramatischen Folgen einhergingen.

Ich würde aus meiner bescheidenen Sicht als Durchschnittsmensch postulieren: Wir befinden uns in einem der größten Sozial-Experimente der Geschichte – weltweit und Dank der „sozialen“ Medien in Echtzeit. Blitzkrieg im Netz. – Nur der Durchschnittsmensch, der immer noch an das Gute im Menschen glaubt, steht immer häufiger vor dem Satz: Das kann doch gar nicht sein, was ich da sehe und denke – nein, das glaube ich nicht!
Wie sozial ist nun „social Media“ wirklich oder liegt es alles nur an uns selbst, da wir alle nur noch mittels „Hate-Speech“ kommunizieren – können und/oder wollen? Ich lernte mal: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg’ auch keinem anderen zu. Also mir liegt es fern einen Menschen weder physisch noch psychisch zu verletzen, da ich das selbst auch nicht möchte, aber ich bin durchaus im Leben so fest verankert, dass ich Kritik verkraften kann, dass ich mich einem freien Diskurs der Argument stellen würde, wenn ich Ahnung vom Thema hätte und/oder es mich interessieren würde. Ich kann auch andere Argumente akzeptieren, darüber nachdenken und, wenn die anderen Argumente besser sind als meine, kann ich auch meinen Standpunkt korrigieren. Das sind doch alles – eigentlich – Selbstverständlichkeiten, oder sehe ich das komplett – durch meine Durchschnittsmensch-Brille – falsch?

Vielleicht brauche ich jedoch eine Instanz, wie diese „Fakten-Checker“, da ich selbst unmündig bin, um mir unabhängig von diesen Instanzen meine eigene Meinung zu bilden; vielleicht bin ich zu doof, um Fakten selbst zu prüfen – ich prüfe und checke nicht. Und vielleicht brauche ich eine „Hyper-Ideologie“, die mir sagt, wie ich zu leben habe, Mischformen gibt es ja bekanntlich nicht. Ich denke in manchen Punkten grün, in manchen schwarz und ja auch in manchen Punkten rot. Aber wenn man diesen Ansatz zuließe, würde das Leben wahrscheinlich zu komplex werden und das alte schwarz-weiß Denken, das Schubladendenken, würde diesen verbalen Schreinermeistern schwer fallen – also alles schön einfach gestalten, ein Hoch auf die Schubladen und schön weiter mit der Einteilerei in Gut und Böse. – Die Kampfbegriffe dafür sind bereits aufs trefflichste definiert, gut unter ihrer Anwendung und „Der Untertan“ merkt nichts und macht fleißig mit beim Schubladendenken. Ja, wie schön, dass wir die „Fakten-Checker“ und die neuen Mechanismen von „social“ Media haben und ums man ganz klar und deutlich zu formulieren: Sozial ist, wer mitlacht – ähm mitmacht natürlich! Und einigen wir uns nur noch auf Media – „social“ sind sie schon lange nicht mehr!

Stefan Noir