Der Freytag: König Ludwig II., der chinesische Sommerpalast und Shen Yun

Schloss Neuschwanstein und sein Bauherr König Ludwig II. sind weit über die bayerischen Grenzen hinaus bekannt und beliebt. Jährlich tauchen die Besucher scharenweise in seine märchenhafte Schlösser-Welt ein. Richard Wagner und dessen Opern sind in Neuschwanstein allgegenwärtig – sein Atem ist fast spürbar. Von Neuschwanstein weiß die Welt; weniger bekannt ist jedoch, dass König Ludwig sich besonders für die chinesische Kultur interessierte und sie hoch schätzte. Er studierte sehr intensiv das Fernöstliche und aus dieser Zuneigung heraus entstand das Bauvorhaben eines chinesischen Sommerpalastes, der am Wiesengrund am Nordufer des Plansees im Bezirk Retutte in Tirol (Österreich) hätte entstehen sollen. Leider kam das Projekt nie über seine Planungsphase hinaus. Während sein Architekt Julis Hofmann mit der Ausarbeitung der Pläne noch beschäftigt war, verstarb frühzeitig König Ludwig. Somit fand das Vorhaben ein jähes Ende.

Als Inspirationsquelle für die bayerische Version des Schlosses diente die Architektur des Sommerpalast Yuanming Yuan des Kaisers K’ang Hsi (Kangxi) und der Thronsaal vom Winterpalast in Peking. Warum König Ludwig diesen Palast für sein Bauvorhaben als Vorlage auswählte, kann nur spekuliert werden; jedoch sind gewisse Parallelen zwischen den beiden Monarchen erkennbar. Beide interessiert sich sehr für fremde Kulturen. Ludwig II. beschäftigte sich intensiv mit der chinesischen Kultur und sammelte leidenschaftlich filigrane chinesische Porzellanvasen. Der chinesische Kaiser galt als Gelehrter, er nahm Unterricht bei den Jesuiten in Kriegsführung, Astronomie, Mathematik und Anatomie und war dem Europäischen gegenüber sehr aufgeschlossen. – Vielleicht war König Ludwig fasziniert vom chinesischen Kaiser, da dieser am Europäischen genauso interessiert war, wie er selbst es am Chinesischen gewesen ist. Freilich sind sich beide selbst nie persönlich begegnet, da sie zu völlig unterschiedlichen Zeiten lebten: König Ludwig II. (1845 bis 1886) und Kaiser Kangxi (1645 bis 1722).

Aus Ludwigs chinesischen Sommerpalast in den Tiroler Bergen ist leider nichts geworden. – Wie gerne hätte ich mich auch in diesem Schloss in fremde Welten entführen lassen. Doch vielleicht gibt es für alle Freunde von König Ludwig II. und Freunde seiner Architektur eine indirekte Möglichkeit, in die Welt dieses unrealisierten Schlosses einzutauchen. Als ich vom chinesischen Sommerpalast erfuhr und mir die Pläne von Julis Hofmann ansah [1], erinnerte ich mich sofort an die prächtigen Paläste, die ich während der Aufführung von Shen Yun Performing Arts [2] sah. Voller erstaunen offenbarte sich mir die Verbindung zwischen König Ludwig II. und dem aus New York stammenden Ensemble Shen Yun [3]. Seit diesem eindrucksvollen Erlebnis besuche ich jedes Jahr die Aufführungen dieser Künstlergruppe, und immer dann, wenn auf der 3-D-animierten Leinwand im Hintergrund chinesische Paläste erscheinen, erinnere ich mich an König Ludwig und seines Sommerpalastes. – Er hatte ein Auge für das Schöne und Erhabene, er liebte die Musik, die Opern – ganz besonders Tristan und Isolde von Wagner – und er liebte ebenfalls Schlösser, Burgen und Paläste: Shen Yun fände ganz sicher seine Zustimmung und würde ihn auch heute noch inspirieren.

Wenn auch ihr in die farbenprächtige und lebensbejahende Welt von Shen Yun eintauchen möchtet, am 28. Dezember 2022 startet in Berlin die Europatournee mit einem neuen Programm.

S.

[1] König Ludwigs chinesischer Sommerpalast. Link zur Seitenansicht des Plans vom Architekten: https://www.bavarikon.de/object/bav:BSV-OBJ-0000000LIIMUS541?lang=de

[2] Shen Yun Performing Arts ist: »Shen bedeutet göttlich. Yun ist die persönliche Haltung oder der innere Ausdruck. Zusammen genommen bedeutet der Name Shen Yun die Schönheit tanzender, göttlicher Wesen.« Siehe auch: https://de.shenyun.org/what-is-shen-yun

[3] Chinesische Kultur Show von Shen Yun Performing Arts https://de.shenyun.com/