15 Dezimeter: Der Tag x+1 im Corona-Intervall

Zu Beginn eine Lyrik, die mir in dieser 15-Dezimeter-Zeit aus der Feder floss:

Abstand bitte

Abstand bitte.
So Olaf zu Brigitte.
Sie fand ihn nicht mehr so charmant.
Er war jetzt viel mehr Tina zugewandt.
Ihr war er jetzt ganz nah.
Da es neulich abständig, ganz plötzlich geschah.
Brigitte ist jetzt abständig ganz nah bei Fritz.
Mit Abstand beide beim Kaffee im Ritz.

 

Humor ist die beste Medizin. Er lässt uns, u. sei es auch nur für wenige Augenblicke, die Schwere der Zeit vergessen. 15 Dezimeter, oder umgerechnet in die bekanntere Maßeinheit Meter ausgedrückt, 1,5 m, stehen als Synonym für die aktuelle Zeit. Wir haben gemeinsam fast 365 Tage, seit das erste Mal von Lockdowns gesprochen wurde, durchgestanden; wir konnten erleben, wie dieses Wort zum Leben erweckt wurde, u. jetzt scheint sich dieses frankensteinähnliche Wort in die Gattung der Untoten einzureihen u. für so manchen ist es die Ultima Ratio, der Problemlöser, schlechthin. Doch seine Lebenskraft bezieht dieser Vampir aus dem öffentlichen Leben, aus der Wirtschaft, aus der Gesellschaft, die alle sprichwörtlich ausbluten.
Wir haben in dieser Zeit auch eine US-Wahl erlebt, die an Dramaturgie kaum zu überbieten war, wahrscheinlich haben auch viele von uns so manche Illusion verloren, die Illusion, dass Homeoffice nicht funktionieren kann zum Beispiel. Was die Zukunft für uns bereit hält, das ist so offen, wie schon lange nicht mehr. Planbarkeit ist in vielen Punkten zur Unmöglichkeit geworden. Die Fixsterne im alljährlichen Lauf der Dinge, die Leuchtfeuer: Kunst u. Kultur, wie zum Beispiel meine geliebten Wagner-Festspiele in Bayreuth oder der jährliche Besuch von Shen Yun Performing Arts u. deren einzigartigen Shows, sind alle erloschen oder sie glimmen nur noch ganz leicht, virtuell eben vor sich hin; aber gerade Oper- u. Theateraufführungen leben von der Lebendigkeit eines Besuchs vor Ort; live is  – eben doch – life.
Bei meiner letzten Zoom-Konferenz am vergangenen Samstag, die vom Richard Wagner Verband München veranstaltet wurde, war auch Hr. Sibler (bayerischer Staatsminister für Wissenschaft u. Kunst) mit von der Partie u. er stellte in Aussicht, dass in diesem Jahr 2021 die Bayreuther Wagner-Festspiele stattfinden würden (wenn …) – die Planungen schauen gut aus. Ich bin gespannt u. wenn ich etwas aus dieser Zeit lernte: Sicher ist, dass nichts sicher ist.
Wir befinden uns in diesem Jahr 2021 auch wieder in einem Wahljahr u. wer das Spiel auf der politischen Bühne etwas genauer verfolgt, der wird mir sicher zustimmen, wenn ich auch hier sage: Sicher ist, dass nichts sicher ist. Manche Personalfragen werden noch andere Antworten finden, als man vielleicht erwarten mag; es wird derzeit an Stühlen gesägt, die ich noch vor Monaten als unantastbare Sitzplätze klassifiziert hätte u. nun gleichen sie mehr einem Schleudersitz – es sind noch nicht alle „Masken“ gefallen, aber an vielen wird herumgezogen; andere „Kinderstühlchen“ werden aufgebaut – vorbereitet u. in Position gebracht – um auf dieser politischen Bühne mehr „Glanz u. Gloria“ zu erhaschen; es liegt halt immer an uns, wie wir mit uns spielen lassen – wir lieben das Drama, wir lieben die Helden. Die Nüchternheit der Sachpolitik ist „out“, die Emotion ist „in“ u. ich muss oft in diesem Kontext an einen meiner früheren politischen Helden aus meiner Jugend denken, an Heiner Geißler, der einst sagte: „In der Politik werden Emotionen zu Fakten erhoben!“ Also, politisch sehe ich Veränderungen anstehen, manches mag dann vielleicht unerwartet erscheinen – wir lieben das Drama. Schauen wir mal, was kommt, wie es kommt u. ob es überhaupt kommt.
Auch im Kreise der schreibenden Zunft spielen sich derzeit Dramen ab; in einigen Chefredaktionen bebt es u. auch hier wackeln Stühle. Ob dann halt immer alle Argumente, die uns „verkauft“ werden, die einzigen Wahrheiten sind, oder ob ganz andere Motivationen dahinter stehen, das bleibt uns „Mainstreamern“ – wie so oft – verborgen – wir lieben das Drama, wir lieben die Helden. Alles nur Zufall?

Aber jetzt ists mal wieder gut: Abstand bitte – u. zwar 15 Dezimeter, wenn ich bitten darf u. keinen Millimeter weniger, da kommt sie dann doch wieder durch, meine deutsche Gründlichkeit.

Und, da Musik das Gemüt beruhigt, gut tut, diesmal keine Klassik, kein Wagner, diesmal Götz Alsmann von seiner Platte: In Rom mit dem Lied Volare, hört mal rein:

open.spotify.com/track/6GgLfVz2ZKEQpTncm4Tnw5?si=yp6ys5PpQ52xa9UEYCOAFg

Und nicht vergessen: Schön abständig bleiben, 15 Dezimeter.